Gezielte Prävention kann die Pflege erleichtern – für beide Seiten

Pflegewissenschaftlerin Dr. Gabriele Meyer im Interview über Chancen der Prävention in der Pflege.

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Mit einer älter werdenden Gesellschaft geht auch ein höherer Pflegebedarf einher. Um der wachsenden Herausforderung zu begegnen, gilt es, gesundheitlichen Problemen bei Pflegebedürftigen und Pflegenden vorzubeugen. Im Interview erklärt Dr. Gabriele Meyer, was Prävention in der Pflege bewirken kann.

Dr. Gabriele Meyer

Dr. Gabriele Meyer ist Professorin für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Leiterin des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Medizinischen Fakultät Halle.

Frau Meyer, welche Chancen bietet Präventionsarbeit in der Pflege, um die Situation der Pflegebedürftigen genauso wie die der Pflegenden zu verbessern?

Professorin Dr. Gabriele Meyer Prävention ist eine Kernaufgabe des pflegerischen Auftrags. Dem Fortschreiten der Pflegebedürftigkeit lässt sich nur bedingt mit pflegerischen Maßnahmen entgegenwirken. Jedoch gilt es bei allen Pflegebedürftigen, ob sie kurze oder lange Zeit Pflege erhalten, zusätzliche Risiken abzuwenden. Dazu gehört beispielsweise, dass sie nicht stürzen oder sich wund liegen oder sich während des Aufenthalts in einer medizinischen Einrichtung eine Infektion zuziehen.

Präventionsmaßnahmen, die umgekehrt die Pflegenden adressieren, werden bisher nicht konsequent umgesetzt. Dabei kann gerade betriebliche Gesundheitsförderung den Gesundheitsstatus und die Arbeitszufriedenheit positiv beeinflussen und somit auch dafür sorgen, dass Pflegekräfte ihrem Beruf treu bleiben. Entsprechende Maßnahmen haben vor allem auch mit Wertschätzung zu tun

Ein wichtiges Thema, für das Sie sich im Rahmen des Projekts PEKo engagieren, ist Gewaltprävention in der Pflege. Welche Herausforderungen und welches Potenzial sehen Sie hier?

Meyer Wo Menschen voneinander abhängig sind, wenig Öffentlichkeit gegeben ist und Überforderung nicht aufgefangen wird, kann auch Gewalt entstehen. Diese hat viele Gesichter: körperlich, psychisch, sexuell, in Form von Vernachlässigung oder finanzieller Ausnutzung. Sie kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein.

Gewalt kann von Pflegenden und Angehörigen ausgehen, aber auch von den Pflegebedürftigen selbst. Sie kann auch zwischen Pflegebedürftigen auftreten. Gewalt hat selbstredend einen negativen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensqualität Pflegebedürftiger. Die negativen Auswirkungen für Pflegende, die Gewalt ausgesetzt sind, unter anderem auf die Zufriedenheit im Beruf, sind vielfach beschrieben.

PEKo möchte eine Kultur der umsichtigen Aufmerksamkeit in Pflege-Einrichtungen verankern, in der Gewalt nicht gedeihen kann und proaktiv verhindert und thematisiert wird. Der Forschungsansatz ist partizipativ. Das heißt, nicht die vier Hochschulen (Halle, Fulda, Lübeck, Köln) schreiben Präventionsmaßnahmen vor, sondern die Pflege-Einrichtungen werden mit Ideen und Methoden sensibilisiert, begleitet und befähigt, selbst präventive Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

In speziellen Workshops lernen PEKo-Teilnehmende – wie hier in Hameln – wie sie sich in einer Gewaltsituation verhalten.

Wie können aus Ihrer Sicht Pflegewissenschaft und Pflegepraxis besser zusammenarbeiten?

Meyer Präventionsmaßnahmen in der Pflege schließen diverse Aktivitäten ein, beginnend mit der Einschätzung des Risikos für unerwünschte Ereignisse wie Stürze bis hin zu Programmen, die Gewalt vorbeugen. Präventionsmaßnahmen müssen noch stärker wissenschaftsfundiert mit Beteiligung der Pflegenden und Pflegebedürftigen selbst entwickelt und auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden.

Hier bedarf es zukünftig größerer Anstrengungen und Plattformen für den systematischen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis.