„Ziel muss immer das Patientenwohl sein“

Professor Dr. Ferdinand Gerlach über die Zukunftsperspektiven der Digitalisierung im Gesundheitswesen.

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Professor Dr. Ferdinand Gerlach

Professor Dr. Ferdinand Gerlach ist seit 2012 Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit).

Wie gut sind wir bereits heute darin, Gesundheitsdaten zu nutzen?

Dr. Ferdinand Gerlach Da sind wir in Deutschland leider auf dem Stand eines Entwicklungslandes. Wir haben in Europa Länder wie Dänemark oder Estland, die sehr viel weiter sind. Dort gibt es seit 15 Jahren eine elektronische Patientenakte für alle Bürgerinnen und Bürger. In anderen Bereichen haben wir weniger Rückstand. In Kliniken oder Praxen wird ja digital gearbeitet, aber es fehlt uns ganz entscheidend an Vernetzung und strukturiertem Austausch.

Welche Möglichkeiten bietet eine stärkere Nutzung und Vernetzung?

Gerlach Zunächst geht es darum, dass vorhandene Daten sinnvoll zusammengeführt werden, damit die Informationen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten auch in Echtzeit vollständig, qualitativ hochwertig und strukturiert zur Verfügung stehen. Ziel ist eine bestmögliche Behandlung. Ein Beispiel: Für die heute notwendige Präzisionsmedizin, etwa in der Krebsbehandlung, benötigen wir große Datenmengen, die wir mit künstlicher Intelligenz analysieren, um daraus bessere und gezieltere Therapievorschläge abzuleiten. Daten teilen heißt besser heilen.

Was bedeutet der Einsatz von künstlicher Intelligenz für den Datenschutz?

Gerlach Wenn wir künstliche Intelligenz nutzen wollen, um durch Forschung neue Zusammenhänge zu erkennen, dann können wir nicht alle Eventualitäten einer Datenabfrage voraussehen und im Vorfeld die entsprechende Zustimmung zur Datennutzung einholen. Ziel ist und muss immer das Patientenwohl sein. Wenn die Forschung dazu beitragen kann, dann sollte gemeinwohldienliche Datennutzung nicht nur gestattet werden, sie ist vielmehr geboten.

Was ist mit einem „dynamisch lernenden Gesundheitssystem“ gemeint?

Gerlach Wir benötigen Gesundheitsdaten nicht nur im Akutfall, sondern können durch Vernetzung und Forschung auch systematisch aus ihnen lernen. Wir brauchen sie auch zur bedarfsgerechten Steuerung von Patientinnen und Patienten. Dafür müssen wir zum Beispiel Versorgungspfade analysieren und dies funktioniert nur, wenn Forscherinnen und Forscher, Kostenträger aber eben auch Betroffene auf diese Daten zugreifen beziehungsweise aus ihnen lernen können.